Fall 5: Die Brandenburgerin
Alter zur Zeit des Mauerfalls: 38
Wohnort am 9.11.89: Rangsdorf bei Berlin
Wohnort heute: Rangsdorf bei Berlin

Erinnerst du dich, wo du am 9.11.89 warst?

Ich war zu Hause.

Wie hast du von der (möglichen) Maueröffnung erfahren?

Da meine Schwiegermutter zu Besuch war, hatte ich weder Radio noch Fernseher an.Deshalb habe ich von der Grenzöffnung erst am nächsten Morgen über mein Weckradio gehört. Daraufhin habe ich meine damals 14- und 17-jährigen Söhne und meine Schwiegermutter geweckt. Gemeinsam haben wir uns im Fernsehen die Berichte über die Maueröffnung, Schabowskis „Rede“ und die Ereignisse des Abends und der vergangenen Nacht angesehen. Trotz allem sind meine Kinder pünktlich zur Schule gegangen und ich zur Arbeit.Viele meiner Kollegen erschienen an diesem Tag nicht zur Arbeit, auch die Klassen der Kinder waren ziemlich leer…

In den Wochen vor dem 9.11.89 stieg ja die „Unruhe“ in der DDR, was war deine Vermutung, wie sich die Situation entwickelt?

Als in der DDR geborener und aufgewachsener Mensch war die BRD für mich ein anderes Land. Ich hatte die Hoffnung, daß sich die Grenzen auch für uns öffnen und sich ein ganz normales Verhältnis zwischen zwei Ländern entsteht. An ein einheitliches Land habe ich überhaupt nicht gedacht.

Wann warst du ab 9.11.89 das erste Mal im „anderen Teil Deutschlands“, hast du daran besondere Erinnerungen?

Zuerst dachte ich daß die neue Reisefreiheit für uns nicht gilt, da mein Mann beim fliegenden Personal der Interflug war und für uns immer strengere Regeln galten. Zum Zeitpunkt der Maueröffnung war mein Mann unterwegs u ich wollte erst von ihm hören ob die Regelung auch für Interflugangestellte gilt. Das war schließlich unser Leben. Trotzalledem habe ich meinen Söhnen erlaubt am Sonnabend,dem 11.9.nach Westberlin zu fahren. Zusammen mit unserem damals 4-jährigen Sohn sind wir dann am 14.9.erstmals in den Westteil Berlins gefahren. Von unseren Verwandten (ziemlich entfernt verwandt ) ,wurden wir schon erwartet und herzlich empfangen. Überall herrschte euphorische Stimmung,die Menschen auf der Straße waren alle gut gelaunt und freundlich. Viele wollten uns „Ossis“ beschenken.

Hattest du Ende 89 /Anfang 90 Vorstellungen, wie sich die politische Situation entwickeln wird?

Wie schon gesagt, ein einheitliches Deutschland war für mich zum damaligen Zeitpunkt weder absehbar noch erstrebenswert. Ich hätte mir die Einheit etwas langfristiger vorbereitet gewünscht, bin aber trotzdem froh dass alles so ist wie es ist!